Die Bedeutung einer Reisewarnung im Reiserecht

In Teilen der „arabischen Welt“ findet ein Umbruch statt, der in seinen Folgen derzeit von niemandem wirklich eingeschätzt werden kann. Viele der davon betroffenen Staaten sind klassische Urlaubsregionen und daher haben die dramatischen Ereignisse auch reiserechtliche Probleme aufgezeigt, wenn auch keine neuen.

Die Reiseunternehmen standen vor der schwierigen Entscheidung, ob sie die Reisen nach Tunesien und Ägypten wegen höherer Gewalt kündigen und die dort schon urlaubenden Reisenden zurückholen sollten. Aus auf der Hand liegenden Gründen zögerten sie, zumal offensichtlich  auch viele Reisende reisen oder im Urlaubsgebiet bleiben wollten („Was kümmert mich die Revolution, solange ich hier ungestört in einem 5-Sterne Hotel urlauben kann“?). Lange Zeit erklärten die meisten Reiseunternehmen, was schon bei zahlreichen vorangegangenen Naturkatastrophen und bei terroristischen Anschlägen im Urlaubsland fast gebetsmühlenartig verlautbart wird: „Höhere Gewalt“ liegt nicht vor, weil das Auswärtige Amt keine Reisewarnung erlassen hat.“ Nach meiner Meinung ist das ein „Rechtsmärchen“, das sich allein deswegen verfestigt hat, weil es immer wieder erzählt wird.

Das Abstellen auf die „Kategorie“ der Erklärung des Auswärtigen Amtes hilft nicht weiter.

Zum einem, weil dessen Einstufungen (noch Sicherheitshinweis oder schon Reisewarnung?) auch durch wirtschaftliche und politische Rücksichtnahmen geprägt sind und damit nicht selten auch „Politik gemacht“ wird. So hatte das Auswärtige Amt  – anders als Österreich und Luxemburg – lange Zeit „nur“ einen „Sicherheitshinweis“ gegeben, aber keine „Reisewarnung“ ausgesprochen. Erst Tage später wurde dann – bei unveränderter Gefahrenlage – doch auch eine „Reisewarnung“ ausgesprochen.

Zum anderen kann m.E. bei genauer Betrachtung nicht trennscharf zwischen einem Sicherheitshinweis und einer Reisewarnung unterschieden werden. „Reisewarnungen“ enthalten einen dringenden Appell des Auswärtigen Amts, Reisen in ein Land oder in eine Region eines Landes zu unterlassen. Sie werden nur dann ausgesprochen, „wenn aufgrund einer akuten Gefahr für Leib und Leben vor Reisen in ein Land oder in eine bestimmte Region eines Landes gewarnt werden muss“ (so das Auswärtige Amt auf seiner Website). Aber auch „Sicherheitshinweise“ machen auf besondere Risiken für Reisende und im Ausland lebende Deutsche aufmerksam. Sie raten in der Regel von nicht unbedingt erforderlichen oder allen Reisen ab. Da stellt sich die Frage: Ist ein solcher Sicherheitshinweis nicht eher eine „abgeschwächte Reisewarnung“? Ich meine ja und deswegen müssen solche diplomatischen Spitzfindigkeiten einen Juristen unbeeindruckt lassen.

Lesen Sie mal die Erklärungen des Auswärtigen Amtes im Internet! Dort heißt es „Reise- und Sicherheitshinweise sowie Reisewarnungen beruhen auf den zum angegebenen Zeitpunkt dem Auswärtigen Amt verfügbaren und als vertrauenswürdig eingeschätzten Informationen. Eine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit sowie eine Haftung für eventuell eintretende Schäden kann nicht übernommen werden.“ Und: „Gefahrenlagen sind oft unübersichtlich und können sich rasch ändern. Die Entscheidung über die Durchführung einer Reise liegt allein in Ihrer Verantwortung. Diese kann Ihnen vom Auswärtigen Amt nicht abgenommen werden.“ Schon diese Hinweise machen deutlich, dass die Beurteilung eines Sachverhaltes als „höhere Gewalt“ nicht vom Vorliegen einer „echten“ Reisewarnung abhängig gemacht werden kann.

Fazit: Die Frage, ob ein Fall „höhere Gewalt“ vorliegt, muss also vom Reisenden wie vom Reiseveranstalter allein anhand der Kriterien des § 651f BGB im Lichte seriöser Medienberichte bestimmt werden, nicht aber anhand der Einschätzungen des Auswärtigen Amtes. Dessen Bewertungen einer Lage sind allenfalls ein Indiz für das Vorliegen höherer Gewalt.

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rra