"Streik" bei TUIfly:

Von der wundersamen Genesung Kranker oder: Die elfte Plage

Wie aus heiterem Himmel erkrankten im Oktober 2016 nahezu alle Mitarbeiter des Bordpersonals der TUIfly für zwei Tage massenhaft – Ursache unbekannt. War das die elfte Plage? Man könnte es vermuten, denn der Ausgang hat biblisches Format: Wie durch ein Wunder gesundeten alle Erkrankten am gleichen Tag wieder, nachdem Ihnen (von Dritten) Zuspruch zuteil wurde. Eine solche wundersame Genesung soll sich zuletzt vor etwa 2000 Jahren am See Genezareth in Palästina ereignet haben …

Vereinzelt wurde die Ansicht vertreten, dass es sich bei den zahlreichen Krankmeldungen vom Mitarbeitern der TUIfly um einen „wilden Streik“ handelt, der – in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zum Streik – als (entlastender) „außergewöhnlicher Umstand“ iSd Art. 5 der Fluggastrechte-VO zu bewerten ist. Das trifft m.E. so nicht zu.

Von einem „wilden Streik“ kann nur gesprochen werden, wenn eine Belegschaft kollektiv die Arbeit niederlegt, ohne dass dieser Arbeitskampf von einer Gewerkschaft geführt wird. Davon kann aber nicht immer schon dann gesprochen werden, wenn eine Vielzahl von Arbeitnehmern sich krank meldet. Der Nachweis, dass es sich um einen „arbeitnehmer-autonomen“ Streik handelt, steht noch aus, auch wenn einiges dafür spricht, dass die „Massen-Erkrankung“ in zeitlichen Zusammenhang zu den angekündigten Änderungen in einigen deutschen Luftfahrtunternehmen steht. Dafür spricht auch die wundersame Genesung der Mitarbeiter am selben Tag, nachdem das oberste Management der TUIfly mit Mitarbeiter-Vertretern gesprochen hat. Dennoch gilt: Für Juristen zählen nicht Vermutungen, sondern allein (beweisbare) Fakten!

Solange dieser Nachweis aber nicht erbracht ist, muss man von („zufällig vielen“) Erkrankungen der Belegschaft ausgehen. Davon scheint man wohl auch bei TUIfly auszugehen, weil ja im Fall des rechtswidrigen „wilden Streiks“ mit Blick auf die massive Schädigung des Betriebes (und damit auch der Shareholder) Strafanzeige gestellt werden würde/müsste!? Allein schon, um Nachahmer zu warnen. Immerhin beläuft sich der potentielle Schaden wohl auf mehrere Millionen EUR!

Personalmangel – auch durch Krankheit – ist aber ein Phänomen, das ein typischerweise der Risikosphäre eines Unternehmers zuzurechnen ist. Da es bei der Prüfung, ob ein Luftfahrtunternehmen sich nach Art. 5 Abs. 3 VO entlasten kann, aber auf ein „Verschulden“ nicht ankommt, sondern nur auf die Zurechenbarkeit eines Ereignisses, kann m.E. derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass sich TUIfly auf einen entlastenden „außergewöhnlichen Umstand“ wird berufen können.

Die  Reiseveranstalter haben den Reisevertrag wegen „höherer Gewalt“ gekündigt. Wieso die Erkrankung von Mitarbeitern eines Reiseveranstalters oder eines seiner Leistungsträger nunmehr „von außen“ gekommen sein soll, haben die Vertreter der These, es läge ein Fall des § 651j BGB vor, bislang nicht erklärt. Nach (bislang immer noch) h.M., die sich am eindeutigen Willen des Gesetzgebers orientiert, ist ein Streik des Personals eines Reiseveranstalters oder seiner Leistungsträger kein Fall höherer Gewalt.